Marrakech - dieses Mal und überhaupt

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, wenn Ihr in Marrakech seid. Aber ich liebe und hasse die Stadt gleichzeitig. Es ist mir zu trubelig, zu touristisch, zu unecht. Gleichzeitig ist es aber so liebenswert, so bunt, so voller Energie... Und ganz gleich, wie ich mich gerade fühle, oder wie viel Arbeit ich habe: Ich muss immer wieder dorthin. Denn für mich ist Marrakech nicht einfach mal Urlaub. Oder eine Auszeit oder so. Für mich ist Marrakech immer etwas ganz besonderes.
1. Marrakech inspiriert mich! Ich schaue, schaue, schaue. Lasse mich durch die Gassen und Straßen treiben und sauge mit allen Sinnen auf, was sich mir darbietet.Das erfüllt mich mit einer unglaublich intensiven, ja, ganz eigenen Kreativität, die ich von Zeit zu Zeit brauche, um weiter meine Arbeit machen zu können. Und jedes Mal, ja wirklich jedes Mal entdecke ich die Stadt neu. Das liegt wahrscheinlich an mir selbst, weil ich jedes Mal, wenn ich nach Marokko komme, ein wenig anders bin als das Mal davor. Aber ich ziehe einfach so unglaublich viel aus einem Aufenthalt dort, dass es meiner Arbeit, aber auch meinem Leben immer einen neuen Stups gibt. Mir ist dabei bewusst, dass Marrakech so etwas wie ein Disneyland für Orientsuchende geworden ist. Das, was man sich als Europäer von 1001 Nacht wünscht, geht hier in Erfüllung. Und obwohl gerade in Marrakech so unglaublich viel Kulisse ist, so haben die Menschen dort doch auch ihr eigenes Leben bewahrt. In allen Medinavierteln gibt es nach wie vor den öffentlichen Bäcker, das Hammam, den Brunnen. In den Häusern, die nicht zu Riads umgebaut wurden wird genauso gelebt, als gäbe es die Touristen nicht und wer außerhalb der Medina, Gueliz oder Hivernage lebt (und das sind die meisten!) hat eh nichts mit dem Disneyland zu tun. Und gerade hier halte ich mich extrem gerne auf! Die neuen Stadtviertel von Marrakech sind architektonisch zum Teil unglaublich spannend. Überall gibt es Parks und Grünflächen - und so langsam werden sie sogar auch sauber :). Außerdem sind die Märkte außerhalb der Trendviertel unglaublich lebendig und voll. Ja doch, Marrakech inspiriert mich. Egal, ob als Disneyland oder als moderne Großstadt. Und natürlich finde ich tatsächlich jedes Mal, ganz gleich, wie fest ich mir vornehme, nichts zu kaufen, 1000 Dinge, die ich noch nie gesehen habe und unbedingt haben möchte. Nun denn.
2. Ich tanke auf. Ja, das klingt doof und esoterisch, aber trotz all dem Chaos erlebe ich selbst im hektischen Marrakech so etwas wie Ruhe und Energie, die zu mir fließt. Das spüre ich natürlich sehr viel mehr, wenn ich in den Bergen oder in der Wüste bin. Aber selbst Marrakech lädt meine Batterie auf. So unglaublich das klingt. Und das tut es nicht in den ruhigen Innenhöfen der Riads, in denen ich fast immer wohne. Dort ist es sehr europäisch. Dort wird Deutsch, Französisch, Englisch gesprochen - dort ist der Service nahezu westlich, die Preise sind es auch. Das ist gut für das Kind und die Mutter, die mich begleiten. Ich selbst aber fühle mich dann wieder kurz zurück gebeamt nach Europa. Alleine auf der Dachterrasse zu sitzen, den leisen Wind um mich wehen zu lassen, der Klang des Muezzins in meinen Ohren und in der Ferne die Trommeln und das Singsang des Djemaa el Fna bringen mich zurück zum Batterien aufladen.
Das, was mir die meiste Kraft gibt in Marokko sind die Begegnungen mit Menschen. Ich lerne neue kennen, treffe alte Freunde, ich lerne Neues, korrigiere mich, verfestige Gutes und spüre immer wieder die Herzenswärme, die von so vielen hier ausgeht. Ein Beispiel: Ich habe Freunde, die jahrzehntelang in Marrakech lebten. Deutsche. Seit nun fast 9 Jahren habe ich sie nicht mehr gesehen. Ich wusste nicht mehr, wo sie wohnen, im Internet habe ich sie auch nicht googlen können - da fiel mir ein Schneider ein, der die beiden auch kennt. Also: Ich hatte 30 MInuten Luft zwischen zwei Terminen. Ich laufe zum Schneider in den Souk. Der Laden ist zu. Die ersten Händler erkennen mich als "leichte Beute", doch bevor sie mir ihre Waren anpreisen können, bitte ich den einen von Ihnen, mir zu helfen. Schlagartig wird aus der leichten Beute jemand der Hilfe sucht und die Stimmung ändert sich. Ich suche Abdellatif sage ich - der hatte hier vor vielen Jahren mal einen Laden. Klar, den kennen sie, sagen die Händler. Ob sie mich hinbringen sollen. Er hat jetzt einen neuen Laden. Ich überlege kurz, ob das wohl eine Odysee zu einem Teppichladen wird, entscheide mich aber dafür, meine (deutsche) Sorge zu ignorieren und folge dem Mann. Es geht soukauf, soukab, 5 Minuten, 10 Minuten, ich beginne zu zweifeln. Und plötzlich stehe ich vor einem neuen Laden. Abdellatif steht darin und traut seinen Augen nicht. Ich freue mich wirklich ihn nach wo vielen Jahren wieder zu sehen. Die Fotos der Kinder werden gezückt - klar! Es gibt  Tee, der "Weghelfer", der Ladenbesitzer und ich trinken ihn mit Genuss, ich erfahre alles, was ich wissen möchte, vor allem die Telefonnummer meiner Freunde und es ist so schön, das vertraute Gesicht wieder gesehen zu haben, dem Weghelfer vertraut zu haben, den Tee gemeinsam getrunken zu haben. Ich komme zwar zu spät zu meinem nächsten Termin, aber auch das ist nicht schlimm. Nicht in Marrakech.
3. Ich suche. Ich suche nach neuen Riads, neuen Trends, neuen Läden, neuen Galerien, neuen was der Kuckuck was. Ich schieße ein Foto nach dem anderen, weil ich mich nicht mit Notitzen aufhalten möchte.Ich laufe den ganzen Tag - eine nach der anderen Gasse laufe ich ab. Ich will alles sehen, am liebsten alles gleichzeitig. Will aufnehmen, und am liebsten sofort losschreiben. Gleich zehn Ideen springen in meinen Kopf, worüber ich berichten möchte. Ich sehe Kastentexte vor mir, Blogartikel, Facebookeinträge und ich spüre ganz genau: DAS ist mein Ding! Ich LIEBE meine Arbeit, sie ist so beweglich. Der Satz möchte aus den Fingern raus, möchte in die Tastatur gehauen werden. Gleichzeitig schnappe ich so viel auf, dass ich abends vollkommen erschöpft ins Bett falle. Es gibt so unendlich viel zu sehen in dieser Stadt. Man ist niemals fertig damit, niemals. Immer kommt noch was neues dazu, immer wieder ändert sich alles. Ich schaue mir wunderbare Ausstellungen an, lerne herrliche Riads kennen, entdecke tolle Geschäfte, Gourmet-Restaurants - und doch schmeckt der auf Feuer gegrillte Maiskkolben bei einem alten Straßenhändler am besten! So kehre ich nach jeder Marrakech-Reise voller Ideen zurück. Ich habe neue Adressen für meine Bücher und TourSerail, habe neue Insidertipps und Wegbeschreibungen, überlege mir neue Spaziergänge und Programmpunkte.
 
Jede Reise beschenkt mich mit Blicken auf neue Möglichkeiten, beschenkt mich mit neuen Wegen, neuen Eindrücken und neuen Begegnungen.So ist jede Reise eine Bereicherung. Auch und gerade nach Marrakech. Und damit der Stress mit den Menschenmassen, dem Trubel und den Mopeds (meinen persönlichen Feinden) nicht allzu groß wird, suche ich mir die kleinen Wege. Ich versuche es. Und ich suche nach Uhrzeiten, die ruhiger sind. Der frühe Morgen zum Beispiel, die Mittagessenzeit oder auch den Sonnenuntergang.Dieses Mal hatte ich unglaubliches Glück mit dem Licht in Marrakech. Das habe ich nicht immer. Aber dieses Mal ist mir das Herz aufgegangen beim Spiel mit den Farben. Vor allem in den Gassen. Und so erschöpft ich nach zwei einhalb Tagen Marrakech war, so traurig war ich, als ich wieder abreiste. Aber ich komme ja wieder. Gott sei DANK!

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Kommentare: 6
  • #1

    Christiane@tourserail.com (Mittwoch, 08 November 2017 11:13)

    Das ist ganz wunderbar be-und geschrieben! Man spürt förmlich die Freude und die Kraft die du dort empfindest. Und schön, dass du so viel Energie für deine Arbeit erhalten hast. Ich lese deine Beiträge immer wieder sehr gerne.!! �

  • #2

    Christiane@tourserail.com (Mittwoch, 08 November 2017 11:17)

    Ich habe noch vergessen : das sind wunderschöne Fotos! �

  • #3

    Riad Marrakesch (Mittwoch, 08 November 2017 13:56)

    Hi Muriel,

    Ich habe auf meinen Recherche-Reisen nach Marrakesch eine Schrittzähler-App auf dem Smartphone. Überzeugender kann man sich keinen Nachtisch verdienen :-)

    Beste Grüße,

    Joachim

  • #4

    Bridget (Montag, 13 November 2017 13:37)

    Hallo!

    Warst Du schon einmal zu Sylvester in Marrakech. Wir sind dieses Jahr dort und fragen uns, was da so zu unternehmen ist.
    Wie würdest Du die gefühlte Temperatur zum Jahreswechsel dort beschreiben? Feste Winterjacke oder Jeansjacke?

    Danke und Grüße
    Bridget

  • #5

    Bridget (Montag, 13 November 2017 13:39)

    .... und würdest Du einen Tagestrip ans Meer nach Essouria empfehlen?
    Warst Du einmal Skifahren im Atlasgebirge?

    DANKE!

  • #6

    muriel (Montag, 13 November 2017 14:20)

    @Christiane - vielen lieben DANK
    @Joachim - oh ja, das kenne ich! Ich habe ihn nicht mehr an aus Angst, er explodiert... :)
    @Bridget - die Hotels haben eigentlich alle ein Programm - auf den Straßen ist viel los, aber es gibt kein Feuerwerk oder so... ich war vor vielen Jahren einmal dort. Mir war es zu voll. Aber das ist wohl Geschmackssache... und ja klar - ein Tagestripp nach Essaouira (am besten mit Übernachtung dort!) ist absolut zu empfehlen. Ich war ansonsten Schlittenfahren - mehr nicht. Aber das war sehr witzig! Und wegen der Temperatur: Tagsüber T-Shirt, nachts Anorak.